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Dienstag, 23. September 2025

„Danach = Davor“: Neue Kampagne rückt Mythen, Tabus und politische Hürden rund um die Pille danach ins Licht

Eine junge Frau in der Apotheke, hinter ihr die Schlange – und die Bitte, die vielen schwer über die Lippen geht: „Ich bräuchte die Pille danach.“ Noch immer haftet Notfallverhütung in Deutschland ein Tabu an. Obwohl sie rezeptfrei erhältlich, sicher und von der WHO als „unentbehrliches Arzneimittel“ anerkannt ist, wird sie mit Scham, Vorurteilen und politischer Symbolik aufgeladen.

Mythen und Fakten

Die Pille danach ist keine „Abtreibungspille“ und auch keine „Hormonbombe“. Sie verschiebt den Eisprung, sodass eine Befruchtung verhindert wird – eine bestehende Schwangerschaft kann sie nicht beenden. Trotzdem glaubt laut YouGov-Umfrage 2024 fast die Hälfte der Deutschen fälschlicherweise, sie sei eine Form der Abtreibung.

Seit der Rezeptfreiheit 2015 wurde der Wirkstoff Ulipristal weltweit über 60 Millionen Mal angewendet – sicher, gut verträglich und ohne Einfluss auf die Fruchtbarkeit.

Politik zwischen Schutz und Kontrolle

Politisch wird die Pille danach widersprüchlich behandelt: Während Opfern sexueller Gewalt ein kostenloser Zugang zugesprochen werden soll, gilt nach wie vor ein Werbeverbot – als wäre Notfallverhütung ein Suchtmittel. Diese gesetzliche Regelung erschwert Aufklärung und verstärkt das gesellschaftliche Stigma.

Selbstbestimmung statt Scham

Notfallverhütung ist mehr als ein „Notnagel“. Sie ist ein Instrument reproduktiver Selbstbestimmung – für Studium, Beruf oder Familienplanung. Laut ELSA-Studie ist jede vierte Schwangerschaft in Deutschland ungeplant, die Hälfte davon endet in einem Abbruch. Gleichzeitig fühlen sich 41 % der Menschen schlecht aufgeklärt, bei Jugendlichen sogar 45 %.

FRAUEN100 x HEALTH Dinner in Berlin

Am 10. September 2025 lud die Initiative #nurwennichesweiss gemeinsam mit Perrigo Deutschland zu einem Dinner in Berlin. Prominente Stimmen wie Bundestagsvizepräsidentin Josephine Ortleb, Gynäkologin Dr. Mandy Mangler und Autorin Gianna Bacio machten klar: Aufklärung ist Prävention und Voraussetzung für Selbstbestimmung.

Besonders eindrücklich war der persönliche Erfahrungsbericht von Chiara Dülberg zu ihrem Schwangerschaftsabbruch – und wie wichtig Sichtbarkeit und offene Gespräche sind.

Start der Kampagne „Danach = Davor“

Mit dem Dinner startete offiziell die Kampagne „Danach = Davor“. Ziel ist es, Mythen zu entkräften, Fakten zugänglich zu machen und das Werbeverbot in den Fokus der Politik zu rücken.

Ein LED-Truck mit den Kampagnenmotiven fährt ab sofort durch Berlin, nachdem eine geplante Plakatkampagne kurzfristig gestoppt wurde – mit der Begründung, es handle sich um „Werbung“.

Fazit

Am Ende geht es nicht nur um ein Medikament, sondern um eine gesellschaftliche Grundsatzfrage: Trauen wir Frauen zu, selbstbestimmte Entscheidungen über ihre Familienplanung zu treffen? Solange das Tabu rund um die Pille danach anhält, bleibt auch Selbstbestimmung unvollständig.